Neben einem auf hohem Niveau angesiedelten allgemeinbildenden Zweig soll der berufsbildende Zweig sicherstellen, dass Talitha Kumi auch in Zukunft eine Schule für Alle bleibt, d.h. dass Kinder und Jugendliche verschiedener Begabungsrichtungen ihren Platz in unserer Schule haben.
Vorarbeiten und Vorläufer des Berufsbildungszentrum (Community College) gehen zurück in das Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre. Damals erstellte eine Expertenkommission aus Deutschland ein Gutachten über Berufsaussichten in der Bethlehem-Region. Ergebnis dieser Studie war eine Prognose über eine positive Entwicklung des Tourismus in der Region Jerusalem / Bethlehem im besonderen und einem daraus resultierenden Bedarf an Fachkräften in den verschiedenen Hotelberufen. Bereits dort wurde daher die Einrichtung eines Community College für Hotelfachberufe innerhalb des Schulzentrums Talitha Kumi vorgeschlagen.
Auf der Basis dieser Studie wurde das Gästehaus erweitert und qualitativ verbessert, um die Funktion eines „Lehr“ – Hotels übernehmen zu können. Zudem wurde eine Lehrküche innerhalb des Gästetrakts eingerichtet.
Mitte der 90er Jahre begann Talitha Kumi, in Zusammenarbeit mit dem palästinensischen Arbeitsministerium und der deutschen Otto Benecke Stiftung, einjährige Kurse für Hotelberufe durchzuführen. Diese Kurse orientierten sich mit großem Erfolg an der deutschen dualen beruflichen Ausbildung, die vor Ort bis dato unbekannt war. Die theoretische Ausbildung in Talitha Kumi (u.a. in Sprachen, Computer, Buchhaltung und Landeskunde) wurde ergänzt durch die berufliche Praxis im Gästehaus und in Hotels der gesamten Bethlehem-Region, z.T. sogar in Jerusalem. Der mit Beginn des Oslo-Abkommen 1995 immer mehr florierende Fremdenverkehr ergab einen zunehmend wachsenden Bedarf an gut ausgebildetem Personal, sodass die Absolventen aller Kurse (von 1995 bis 2000) keine Schwierigkeiten hatten, nach Kursende einen Arbeitsplatz zu finden. Im Gegenteil: Die meisten hatten ihren Arbeitsplatz schon am Ende ihres Berufspraktikums innerhalb der Ausbildungszeit schon sicher.
Der Erfolg dieser Kurse, die Zunahme des Tourismus zum Millennium hin einerseits und das Ziel der Schulleitung nach einem staatlich anerkannten Abschluss andererseits führte dazu, beim Hochschulministerium eine Lizenz zur Eröffnung eines „Community College“ (Fachhochschule) für Hotelfachberufe zu beantragen. Diese Lizenz wurde dann in der Tat im Herbst 2000 erteilt.
Die „Geburt“ des „Community Colleges“ ereignete sich leider synchron zur völligen Paralyse des Tourismussektors als Folge der politischen Verhältnisse im Lande. Deshalb hat sich nicht die erwartete Zahl von Bewerbern für das College angemeldet. Trotz dieser schwierigen Umstände begannen wir mit dem Betrieb des College durch eine zweijährige Ausbildung mit dem Ziel Diplom „Koch“ und „Service“ und konnten zwischenzeitlich bereits drei Jahrgänge ausbilden und mit bestandener Prüfung entlassen. Die Absolventen erhielten nach der vom Ministerium für Höhere Bildung zentral durchgeführten Prüfung die offizielle staatliche Diplomurkunde. Wir sind stolz darauf, dass alle unserer Studierenden diese Abschlussprüfung bestanden haben, trotz mehrmaligen Terminverschiebungen infolge der politischen Verhältnisse.
Es bleibt zu erwähnen, dass das Studium im College künftig auf den berufsbildenden Zweig der Schule (Klassen 11 und 12) aufbauen kann: Der neue palästinensische Bildungsgesamtplan sieht bereits in dieser Stufe Unterricht in beruflichen Fächern vor. Talitha Kumi hat sich auf die Aufgabenfelder Wirtschaft (insbesonders Tourismus) und Verwaltung festgelegt. Nach Realisierung dieses Zweigs in zwei Jahren – politisch einigermaßen stabile Verhältnisse vorausgesetzt – wird man in Talitha Kumi neben einem allgemeinbildenden Abitur ein Fachabitur erwerben können, bzw. für die, die letzteres nicht schaffen, zumindest ein berufsbezogenes Diplom (Lehrbrief).
Ferner bemüht sich die Leitung des Bildungszentrums Talitha Kumi mit Wilhelm Goller an der Spitze zusammen mit dem Leiter des College, Maurice Younan, das Angebot des College auszuweiten und eine Lizenz für weitere Studienzweige zu erhalten, nämlich:
Verwaltungsausbildung für staatliche Behörden
Bürokommunikation
Hotelmanagement
Auf diese Weise wird der berufsbildende Zweig der Schule mit dem Angebot des College eng verzahnt und damit das Bildungsangebot zu einem Programm aus einem Guss vereint. Im Kontext der aktuellen Lage der beruflichen Bildung im Lande, die nur als äußerst dürftig zu bezeichnen ist, wird diese Ausrichtung von Talitha Kumi zu einer wichtigen Hilfe beim Aufbau der beruflichen Bildung im Staate Palästina.